Widerspruch gegen Honorarabzug (=Strafzahlung, 1% bzw. 2,5% der kassenärztlichen Einnahmen) wegen Nicht-Anschluss der Praxis an die Telematik-Infrastruktur

 

Erstmals für das Quartal 1/2020 wurde für meine/unsere Praxis der gesetzlich verordnete Honorarabzug mit der Quartalsabrechnung durchgeführt. 

Erstmals, allein das schon ist merkwürdig, denn die Regelung gab es auch schon 2019 und meine Verweigerung des Zwangsanschlusses an die Telematik-Infrastruktur bestand schon von Anfang an. 

Es gibt nur eine Erklärung: Im 1.Quartal 2020 haben ich keinen "Sitzdienst" in der Notfalldienst-Praxis gehabt. Die Notfalldienst-Praxen sind nämlich "angeschlossen" und dort werden die Versichertenkarten über die Ti eingelesen. 

Offenbar hat man mich in den Quartalen mit Sitzdienst als "Angeschlossen" einsortiert, obwohl ich doch "Verweigerer" bin. Eine andere Erklärung finde ich nicht. Auf meine diesbezüglich schon zweimalige Anfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung habe ich keine Antwort bekommen. 

Sollte es so sein, dass auch andere ÄrztInnen, die "verweigern", als "angeschlossen" gezählt werden, wenn sie am Sitzdienst teilnehmen? Wenn ja, nur in Westfalen-Lippe? Oder auch anderswo?

In diesem Falle wäre der Anteil der "Verweigerer" höher, als offiziell mitgeteilt.

Hat jemand Hinweise für mich? 

 

 

Jedenfalls:

HIER FOLGT DER WIDERSPRUCH GEGEN DEN HONORARABZUG IM WORTLAUT

 

 

 

Wilfried Deiß Facharzt für Innere Medizin - Hausarzt

Koblenzer Str. 109 D-57072 Siegen

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KVWL

Robert-Schimrigk-Str. 4-6

44141 Dortmund

 

 

Siegen, den 8.8.2020

 

WIDERSPRUCH GEGEN DEN BESCHEID ÜBER HONORARKÜRZUNG WEGEN TELEMATIKINFRASTRUKTUR VON QUARTAL 1/2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen,

 

gegen den Bescheid vom 20.7.2020 lege ich hiermit Widerspruch ein. 

 

Kurz-Begründung:

Für die Telematik-Infrastruktur gibt es bis heute kein auch nur annähernd vollständiges Modellprojekt und daher auch keine belastbaren Erkenntnisse über Funktionssicherheit, Zuverlässigkeit, Alltagstauglichkeit und erst recht nicht zu einem medizinischen Nutzen. Die propagierten Vorteile sind bisher hypothetisch.

Demgegenüber bestehen erhebliche Datenschutzrisiken bei zentralisierten Sammlungen von Daten. Zudem handelt es sich bei Krankenakten um die sensibelsten Informationen, die es über Menschen gibt. Zentralisierte Datensammlungen wirken wie Magnete für Hacker und Datenverwerter. 

Damit widerspricht der Anschluss der Praxis an die TI dem wichtigsten Grundprinzip der Ärztlichen Tätigkeit, nämlich der Abwägung von Vorteilen und Risiken. Denn beim aktuellen Erkenntnisstand sind die Risiken sehr viel größer als der Nutzen. 

Neben dem individuellen Risiko für PatientInnen kommt ein Globalrisiko für das gesamte Gesundheitswesen hinzu. Denn ein Mastersystem dieser Art könnte bei Ausfall zu einem Zusammenbruch des Gesundheitswesens führen. Zudem sind dem Gesundheitswesen bereits mindestens 4 Milliarden EUR entzogen worden, die an anderere Stelle mit eindeutigem medizinischen Nutzen dringend gebraucht werden. 

Aus diesen Gründen sehe ich mich als Arzt sogar verpflichtet, den Anschluss meiner Praxis an die TI zu verweigern, denn ich darf keine patientenrelevanten Entscheidungen treffen, deren Risiko den Nutzen überwiegt. 

Darüber hinaus ist die ständige und jederzeitig aktuelle Verfügbarkeit von Dauerdiagnosen/ Unverträglichkeiten/ Medikationsplan bei uns schon seit 23 Jahren für jeden einzelnen Patienten auf analogem Wege gesichert. 

Hinzu kommt: in den vergangenen Jahren habe ich 2x das Meinungsbild meiner PatientInnen erhoben und derzeit läuft die dritte Umfrage. Bisher ist der Anteil derer, die ihre Krankenakten zentral speichern lassen wollen, unter 10%. Was die PatientInnen derzeit noch nicht einmal wissen: Hinter den Kulissen wird gesetzlich gerade daran gearbeitet, die "Freiwilligkeit" der Teilnahme von einer Zustimmungsregelung zu einer Widerspruchsregelung umzuändern, und dabei scheint es nicht einmal mehr möglich zu sein, die zentralisierte Datenspeicherung und Datenverwertung vollständig abzulehnen. Ich kann mich an kein Großprojekt erinnern, das derart Demokratie-defizitär ist. 

 

Die ausführliche Version findet sich in der Anlage ("Mein Ärztliches Gewissen und die Arztgeheimnis-Cloud")

 

Bitte um Bestätigung

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Wilfried Deiß